PRESSESTIMMEN:

 

KING KONG
Musical nach dem Roman von Delos W. Lovelace
von Paul Graham Brown und James Edward Lyons

Uraufführung:
28. August 2009

Kleines Theater, Berlin
Karten: 030 / 821 20 21

Weitere Termine:
Sept 9/18/19/26/30
Okt 11/14/16/17
Nov 29 Dez 2/3

www.kleines-theater.de

 

Musicals Magazin
KING KONG

Großer Affe, kleines Musical - voller Erfolg

Den Mut muss man erst mal haben. ‚King Kong' als Musical? Und dann auch noch auf einer ausgesprochen kleinen Bühne? Der Riesenaffe?! Wie soll das denn gehen? Nun: Es funktioniert großartig. Allen Beteiligten kann man nur zurufen, was sie auch jeden Abend zum Schlussapplaus aus vielen Kehlen zu hören bekommen: "Bravo!".

"Her mit den Moneten", fordert singend Marc Schlapp als Filmregisseur Carl Denham von den Produzenten und behauptet selbstbewusst: "Das wird ein Kassenschlager." Spannung, Abenteuer und eine Liebesgeschichte obendrauf verspricht er den vermeintlichen Geldgebern, die aber trotzdem ihre Taschen nicht öffnen für sein neuestes Projekt. Also muss er alles selbst in die Hand nehmen. Noch fehlt ihm jedoch die Hauptdarstellerin. Die fällt ihm aber schon in der nächsten Szene quasi vor die Füße. Mit großem Gepolter stolpert Katharina Koch als ann Darrow aus der Stage Door, verwundert darüber, dass ihre Stepptanznummer beim Casting nicht gut angekommen ist: " Woher soll ich denn wissen, dass ‚Mutter Courage' kein Musical ist?"

Ann ist absolut Pleite, muss sogar entscheiden zwischen Kaffee oder Donut, beides zusammen kann sie sich nicht leisten.Da kommt das Angebot von Denham ganz recht, obwohl sie keine Ahnung hat, was er eigentlich von ihr will und worum es ihm bei seinem Film überhaupt geht. Aber daraus macht er ja ein Riesengeheimnis. Nur wir Zuschauer wissen es schon: "Westlich von Sumatra liegt eine Insel - mystisch und verlassen - dort herrscht Kong!" Diese Insel ist sein Ziel. Er will das Monster und Ann zusammen bringen. Nun kann man getrost davon ausgehen, dass die Geschichte von King kong und der weißen (hier vor allem goldblonden) Frau allgemein bekannt ist.

1933 ist der Riesengorilla das erste Mal im Kino aufgetaucht. Weltpremiere war im März in New York, schon im Dezember des gleichen Jahres durften auch deutsche Kinozuschauer sich gruseln bei diesem Klassiker des Monsterfilm. 1976 gab es eine Neuverfilmung der Originalstory. Vor vier Jahren präsentierte uns dann ‚Herr der Ringe' - Regisseur Peter Jackson die wohl bisher aufwendigste Version. Den Personalaufwand einer Kino-Großproduktion kann und will sich diese Musicalversion nicht leisten. Sie konzentriert sich deshalb auf den Filmmacher, seine Schauspielerin, auf Kong und als Vierten im Bunde, auf den Kapitän des Schiffes, das sie zu der Insel mit dem Riesenaffen bringen soll: Jack Driscoll, gespielt von Woolfgang Höltzel. Zwei Männer, einer Frau, ein vermeintliches Ungeheuer. Da ahnt man schon, was passiereren wird.

Ann, zuerst fasziniert von dem despotischen Regisseur, verliebt sich dann aber doch in Jack. Da hat sie eine gute Wahl getroffen, denn während Denham immer nur an seinen Film denkt, ist Jack immer bemüht und bereit, seine Ann aus den Klauen des Gorillas zu befreien. Das Dumme ist nur: Ann will eigentlich gar nicht weg von Kong, denn sie entdeckt die zarten Seiten des Monsters: "Ich bin noch nie einem König begegnet, alle anderen Männer waren ganz gewöhnliche Affen."

Das Musical ‚King Kong' ist die zweite gemeinsame Arbeit von James Edward Lyons als Autor und Regisseur und dem Komponisten Paul Graham Brown. Zuerst hatten sie in Berlin ander Tribüne das Max-Schmeling-Musical ‚Der Kampf des Jahrhunderts' auf die Bühne gebracht. Lyons hat ‚King Kong' mit einer großen Portion Einfallsreichtum inszeniert und mit einem überaus geschickten Bühnenbild (Norman Zechowski) in Szene gesetzt. Ein schwarzer rechteckiger Kasten verwandelt sich schnell vom schäbigen Restaurant zur Kafüte, von der Buschhütte zum Hotelzimmer und dient am Ende gar wirkungsvoll als Empire State Building. Großartig aber vor allem, wie es gelingt selbst auf dieser kleinen Bühnen noch Platz zu schaffen für einen Riesenaffen. Okay, man sieht ihn nie in voller Größe, aber sie lassen uns seine Größe ahnen. Welch eine wunderbare Wirkung doch ein sich bewegender Fellvorhang und gechickt eingesetzte Geräusche haben können.

Paul Graham Brown, der allabendlich selbst am Keyboard sitzt, um die drei Schauspieler musikalisch zu begleiten, hat eingängige Melodien für die Songs dieses Musicals geschrieben. Manche Momente unterlegt er mit einer Musik, die an die Klavierbegleitung alter Stummfilme erinnert. Hervorragend der wohl bisher ungewöhnlichste Tango in einem Musical für die Szene, in der Ann und der Regisseur bei einem Abendessen ihren Deal perfekt machen. Ein Tango, bei dem auch ein Schnitzel eine wichtige Rolle spielt. ‚King Kong' als film, das wurde uns immer als Horror-Ereignis verkauft. Spannung gibt es hier im Kleinen Theater, aber ein echter Schrecken wird nicht verbreitet. Stattdessen unterhält uns diese ‚King Kong' Vesion mit guten Pointen und einigen nachdenklichen Sätzen zum Verhältnis Mensch und Natur.

Die drei Darsteller brillieren in ihren Rollen, sind voll in ihrem Element, man spürt, welch großes Vergnügen auch ihnen selbst die Vorstellung bereitet. Katharina Koch gibt die Ann zuerst als arg naives Blondchen, das aber durch die Ereignisse immer nachdenklicher wird. Verändern darf sich auch Wolfgang Höltzel als Jack. Der doch zu Beginn der Reise arg ruppige und zugeknöpfte Seemann wird durch seine Liebe zu Ann zu einem äußerst sympathischen Kerl. Nur Marc Schlapp muss - und das geht wohl nicht anders - als Carl Denham der egozentrische Macho bleiben. Das spielt er überzeugend. Gesanglich kann dieses Ensemble durchweg überzeugen.

Diese Uraufführung im Kleine Theater am Südwestkorso in Berlin war ohne Zweifel ein voller Erfolg. Und genau deshalb hier ein gut gemeinter Rat: Off-Bühnen dieser Republik, reißt euch nicht nur um dieses Stück, sondern auch genau um diese Inszenierung! Euer Publikum wird es euch danken! Wie sagt Denham doch so richtig: "Das wird ein Kassenschlager!"

 

Berliner Morgenpost
Monsterklassiker "King Kong" im Kleinen Theater
Von Ulrike Borowczyk

New York zu Beginn der Weltwirtschaftskrise 1933: Die arbeitslose Schauspielerin Ann Darrow nimmt ein Angebot des zwielichtigen Regisseurs Carl Denham an. Sie fragt nicht nach, warum sie auf einem schäbigen Frachter Richtung Sumatra reisen oder warum sie einen todängstlichen Schrei proben muss? Einzig Kapitän Jack Driscoll, der sich in die blonde Ann verliebt hat, misstraut dem Regisseur und seiner Suche nach einem prähistorischen Riesenaffen. Zu recht. Denn kaum auf der unbekannten Insel angekommen, wird Ann von dem Urviech entführt, das die Einheimischen voller Furcht King Kong nennen.

Kann man eigentlich den Leinwandklassiker des Monsterfilms als unterhaltsames Musical fernab aufwendiger Spezialeffekte auf die Bühne bringen? Man kann, wenn die Namen Paul Graham Brown für Komposition und musikalische Leitung sowie James Edward Lyons für Buch und Regie stehen. Bei der umjubelten Premiere von "King Kong" im Kleinen Theater wurde die entschlackte Story gespickt mit vielen Songs und witzigen Anspielungen atmosphärisch dicht erzählt.

Drei Schauspieler und ein dicker Pelzvorhang als King Kong entfesseln dabei erstaunlich viel Dramatik ohne ins Süßlich-Triviale abzurutschen, obgleich es doch um mehrere komplizierte Liebesbeziehungen geht: Zwischen Raubein Jack Driscoll (Wolfgang Höltzel) und Ann (Katharina Koch), die auch Gefühle für Kong entwickelt. In der Gewalt des eifersüchtigen Affen verwandelt sich das ehrgeizige Starlet in eine geerdete Frau, die verhindern will, dass Denham (Marc Schlapp) Kong seiner Ruhmsucht opfert. Wie im Film kommt es natürlich auch im Musical zum Showdown auf dem Empire State Building.
Kleines Theater , Südwestkorso 64, Friedenau. Tel. 821 20 21. Termine: 9., 18./19., 29./30.9.; 14., 16./17.10., jeweils 20 Uhr.


Berliner Zeitung

Wohin ein Donut führen kann
Keine Special Effects, sondern ein gutes Konzept: Das Kleine Theater zeigt das Musical "King Kong"

von Astrid Kaminski

Woher soll ich denn wissen, dass Mutter Courage kein Musical ist?" Die arme Ann Darrow wird mal wieder nach dem Vorsprechen vor die Tür gesetzt. Arbeitslos und traurig, dabei aber immer noch kokett, stiehlt sie einen einsamen Donut. Ertappt wird sie dabei von Carl Denham, der schon im Panama-Anzug ist, weil er zur großen Schiffsreise auf die unbekannte Insel Kong aufbrechen will. Nicht aus Abenteuergeist, sondern weil er dort einen Kassenschlager drehen will. Ann, beim Donutklau gecastet, lässt ihre Wäsche im Waschsalon im Stich und fährt mit. Das ist nicht der Film von 1933, nicht das Remake von 2005, sondern das Musical von 2009. "King Kong" haben Paul Graham Brown (Musik) und James Edward Lyons (Text und Regie) geschrieben und für die Guckkastenbühne des Kleinen Theaters zur Uraufführung gebracht. Dabei sind alle Entscheidungen, an Hand derer sie das Drei-Personen-Stück entwickeln, prägnant, witzig und charmant. Die Musik nach dem Vorbild Aaron Coplands ist eingängig ohne billige Affekthascherei. Die Story nach dem Originalfilm anrührend und mit den richtigen Szenen- und Dialogremedien gegen heute allzu unerträglichen Kitsch versehen.

Die Bühne ist so fantasievoll wie einfach: eine Schachtel, die Bäckerei, Restaurant, Boot und Urwald gleichermaßen sein kann. Ein Stück Mullbinde steht für einen Hauch Haute Couture und ein riesiger Fellvorhang für ein gewisses Pelztier. Katharina Koch steht für die naive Schönheit Ann, die sich zwischen King Kong und Käpt'n Driscoll entscheiden muss und lässt ihre Stimme in der Höhe fein werden, in der Tiefe geheimnisvoll - auch mal verwegen - und zwischendurch ganz musicalmäßig schmettern. Der Driscoll von Wolfgang Höltzel ist ein echter und ehrlicher Anpacker, dessen Stimme in der Basslage warm und in der Tenorlage ganz lyrisch werden kann, und dem man seinen Erfolg gönnen würde. Den profitgeilen Carl Denham singt ganz passend mit stählerner, fast nasaler Stimme Marc Schlapp, der so aussieht, als würde er jedes Hollywood-Casting gewinnen. Und außerdem sitzt auch noch der Komponist Paul Graham Brown selbst am Keyboard und hat zwischen Boogie und Tango immer die richtige, nie eindimensionale Stimmung zur Hand.

Mit King Kong könnte das Kleine Theater sich sogar (noch mehr) Freunde unter Leuten machen, die bislang nicht auf bestem Fuß mit dem Musical standen.


Tagesspiegel 30.8.2009

Stell dir vor, es ist ein Gorilla
Sage keiner mehr, im Kleinen Theater am Südwestkorso gehe es beengt zu. Wenn man es richtig anstellt, weitet sich die Bühne zur Welt - und plötzlich ist man auf Java oder Sumatra. Riesig: "King Kong" im Kleinen Theater.

Paul Graham Brown und James Edward Lyons wissen, wie man räumliche Grenzen überwindet. In der Berliner Erstaufführung des von ihnen geschriebenen und inszenierten Musicals "King Kong" ist sogar noch Platz für einen Riesengorilla. Der ist zwar leibhaftig nie zu sehen, aber das muss er auch nicht. Schließlich sind wir im Theater. Seine Anwesenheit ist spürbar, das reicht. Brown und Lyons halten sich treu an die Vorlage, den Filmklassiker "King Kong und die weiße Frau" (1933). Und sie haben die passenden Darsteller dazu. Marc Schlapp wirkt als skrupelloser Regisseur Carl Denham schmierig und verschwitzt. Von Liebe hat er keine Ahnung, der Welt nähert er sich nur durch die Filmkamera. Seemann Jack Driscoll (Wolfgang Höltzel) ist dagegen rau, aber ehrlich.

Am dichtesten an der Vorlage ist Katharina Koch als Ann Darrow, die das Zickige und doch Zerbrechliche einer Dreißigerjahre-Diva perfekt auszudrücken versteht. Wenn sich ihr Schmollmündchen (Maske: Anne-Claire Meyer) plötzlich zum tiefen Loch auswächst, aus dem ein markerschütternder Schrei dringt, meint man, die leibhaftige Fay Wray vor sich zu haben. Eine kleine Kammer dient wahlweise als Büro, Restaurant, Ausguck oder Spitze des Empire State Building.

Als King Kong aus dem Terzett ein Quartett macht, suggerieren Brown und Lyons seine Präsenz mit minimalsten Mitteln: Konturen auf der Leinwand, Gebrüll vom Tonband, ein pelziger Vorhang, der sich sanft im Atem des Gorillas wiegt. Gutes Theater braucht eben keine große Bühne.


www.musicalzentrale.de

King Kong Riesenaffe mit Herz
Zwei Männer - der skrupellose Filmregisseur Carl (Marc Schlapp) und der raubeinige Seebär Jack (Wolfgang Höltzel/Daniel Chrétien) - buhlen um die Gunst der Off-Off-Off-Broadwayschauspielerin Ann (Katharina Koch), die auf die große Karriere hofft. Auch in der Musical-Version liegen ihre Sympathien jedoch bei dem aus seiner Südseeheimat nach New York verschleppten Riesenaffen. Dank toller Darsteller in einer ganz auf Story und Charaktere konzentrierten Inszenierung (James Edward Lyons) gelingt Titelheld Kong erfolgreich der Sprung von der Kinoleinwand auf die Musicalbühne. (Text: Kai Wulfes)

"Die meisten Männer, die ich kennen gelernt habe, waren ganz gewöhnliche Affen", resümiert Ann und streichelt liebevoll über den wollenen Pelz der Titelfigur. Doch wie bringt man diesen Riesenaffen auf die kleine Bühne eines 99-Plätze-Hauses, in dem es so beengt ist, dass sich der musikalische Leiter (Paul Graham Brown) an den Zuschauern vorbei zu seinen Keyboards in der ersten Reihe schlängeln muss? Ganz einfach: Ein die volle Bühnenbreite einnehmender Fellvorhang, der von hinten bewegt wird, schafft die Illusion, dass Ann vor dem riesigen Tier steht und zu ihm emporblickt. Durch aggressives Fauchen oder liebevolles Brummen aus dem Lautsprecher artikuliert Kong dazu seine Gefühle und ist somit als Figur präsent.

Regisseur James Edward Lyons überrascht das Publikum immer wieder mit kleinen Theatertricks, mit denen er eindrucksvoll beweist, dass sich monumentale Vorlagen auch als Kammermusical auf kleinstem Raum ohne Verlust von Atmosphäre und Spannung bestens realisieren lassen. Wenn auf Skull Island, der Heimat des Kong, Eingeborene auftreten, dann schnallt er diese seinen drei Darstellern als skurrile Masken mit Kostümfetzen (Olga Lunow) auf den Rücken. So können die auf der Insel gelandeten Amerikaner (Vorderseite) durch schnelle Drehung um 90 Grad gleichzeitig die wild tanzenden Ureinwohner (Choreografie: Tim Zimmermann) geben. Lyons pfiffiges Minimalkonzept, in das auch der Zuschauerraum als Spielfläche integriert wird, unterstützt Norman Zechowski mit seinem einfachen wie wirkungsvollen Bühnenbild. Im dunkel ausgekleideten Raum steht ein drehbarer schwarzer Container, der mit wechselnden Details (zum Beispiel Bullaugen für das Schiff zur Überfahrt) in den jeweiligen Handlungsort verwandelt wird.

Zum Finale, wenn der Riesenaffe in New York durch die Hochhausschluchten flieht, wird dieses Element einfach umgestoßen und verwandelt sich in eine Dachterrasse. Auf diesem luftigen Aussichtspunkt realisiert die bisher auf ihre Karriere fixierte Schauspielerin Ann verbittert, dass der zu einer Zirkusattraktion verkommene Kong keine Chance hat, in das Paradies zurückzukehren, aus dem er entführt worden ist. Als das Riesentier dahingemetzelt wird und seine Silhouette auf der rückwärtigen Projektionsfläche einfach ausgeblendet wird, greift sie im sich verdunkelnden Licht hilflos nach der Hand des neben ihr hockenden Seemanns Jack. Ein kitschiges Happyend, in dem beide als Paar mit einem schmachtenden Liebeslied die Show beenden, verweigert der regieführende Autor bewusst und führt so das mit gleichbleibend dramaturgischer Spannung erzählte Buch in ein glaubwürdig wirkendes Ende...

Das Darsteller-Trio besser könnte nicht sein. Marc Schlapp (Carl Denham) scheint der von Geschäftssinn und Ehrgeiz zerfressene Filmregisseur geradezu auf den Leib geschrieben worden zu sein. Skrupellos verfolgt er sein Ziel, eine filmische Sensation auf Zelluloid zu bannen. Selbst als die Präsentation der Bestie vor Publikum aus dem Ruder läuft, ist er sich keiner Schuld bewusst. Anders die Entwicklung von Ann, die Katharina Koch von der gescheiterten Schauspielern zum Karriere-um-jeden-Preis-Weibchen und schließlich zu einer zweifelnden Frau formt.

Als Dritter im Bunde gibt Wolfgang Höltzel den Seemann Jack als zupackenden Naturburschen, der auf seinem Schiff das Herz an die zunächst zickige Passagierin verliert. Egal ob als Terzett, Duo in wechselnden Besetzungen oder im Solo: Mit in allen Lagen sicher geführten, vollen Stimmen beweisen alle drei, dass typgenau besetzte Darsteller auch richtig gut singen können. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die allerdings nicht jede Show erfüllt.

www.klassik.com
Haariger XXL-Titelheld

von Dr. Kevin Clarke
Ich gestehe besser gleich, dass ich eine spezielle Schwäche für Musiktheaterwerke habe, die im Dschungel spielen. Irgendwie regt die klangliche Ausmalung schwüler Urwaldszenarien meine Fantasie an und sorgt für ein besonders lustvolles Miterleben der entsprechenden Stücke - von Antonio Gomes' 'Il Guarany' (1870) mit Placido Domingo als Indianer im südamerikanischen Regenwald (auf CD bei Sony) bis zu Paul Ábraháms 'Blume von Hawaii' (1931) oder Emmerich Kálmáns Woodoo-Operette 'Golden Dawn' (1927), jeweils mit einzigartigen Opferzeremonien voller Fackeln, Trommeln, Kriegsbemalung, Masken, Totempfählen und exotischer Fauna. (Im Fall von 'Dawn' in dem Hollywoodfilm von 1929 optisch und musikalisch ideal umgesetzt bis heute nach zu erleben.)


Angesichts dieser Ausgangslage war mein Interesse am neuen Musical 'King Kong' von Paul Graham Brown (Musik) und James Edward Lyons (deutsche Liedtexte/Regie) sofort geweckt, als ich das atemberaubende Poster sah, mit grünem (!) Himmel, schattenrissartigen Kletterpflanzen, der Silhouette des haarigen XXL-Titelhelden und der blonden Frau im weißen Negligé im Vordergrund. Vor einem Jahr hatte ich von den gleichen Autoren das Musical 'Kampf des Jahrhunderts' über den Boxer Max Schmeling besucht und war von der intelligenten Musik begeistert, die so angenehm anders klang als das, was man sonst landauf landab in Deutschland als Musical verkauft bekommt. Lyons schreibt in der klassischen Broadwaytradition mit einem Schuss Sondheimscher Intelligenz, ohne Sondheim-Epigone zu sein.

Glücklicherweise. Swing-Along-Choreographie Spannend an dem neuen Stück fand ich auch die Vorstellung, dass Regisseur Lyons den Stoff - den zuletzt ‚Herr der Ringe'-Regisseur Peter Jackson als 200 Millionen Dollar Spektakel ins Kino gebracht hatte - nur mit drei Darstellern auf der winzigen Bühne des Kleinen Theaters am Südwestkorso im Süden Berlins herausbringen wollte. Ohne Special Effects. Ohne Riesenaffen. Ohne Swing-Along-Choreographie wie bei ‚Tarzan' von Stage Entertainment. Die Autoren erzählen die Geschichte vom besessenen Filmemacher Carl Denham (wunderbar geleckt agierend: Marc Schlapp), der arbeitslosen Schauspielerin Ann Darrow (ideal: Katharina Koch) und Schiffskapitän Jack Driscoll (anrührend mürrisch: Wolfgang Höltzel) ganz geradeaus und fast wie in einer Barockoper: Nach ein paar Sätzen Dialog folgt immer schon der nächste Song, meist im 30er Jahre Stil, mit dezenten rhythmischen Jazz-Anklängen. Trotzdem bewegt sich die Geschichte flott vorwärts, vom Billigrestaurant in Manhattan übers Schiff bis zur Insel, zur Opferzeremonie, zum Dschungel - und wieder zurück nach New York und aufs Empire State Building.

Das Verblüffende dabei ist, dass Regisseur Lyons mit einfachsten szenischen Mitteln (einem verschiebbaren Kasten, der wahlweise als Zimmer, Boot, Felsen, Wolkenkratzer dient) ganz altmodisch tolles Theater kreiert. Voller Atmosphäre, Spannung und Witz. Dabei unterstützen ihn die drei äußerst engagierten Darsteller, die einerseits mit ironischer Distanz die stereotypen Rollen spielen, sie andererseits aber emotional glaubhaft machen. Besonders Katharina Koch gefiel mir als ausgebranntes Starlet à la Marilyn. Sie war nicht nur die perfekte Blondine, sondern hatte darüber hinaus etwas Menschliches, leicht Ordinäres, dabei doch Glamouröses. Eine geniale Kombination. Und sie sang - wie ihre beiden männlichen Kollegen - so ungemein natürlich, so fern des typischen deutschen Musicalstils (der mich zur Verzweiflung treiben kann), dass es ein Genuss war, Song für Song die Geschichte mitzuerleben. Und: Wie die drei an Anfang des 2. Akts mit Masken und Strohröcken auch die Rollen der Urwaldeinwohner übernehmen und die große Ritualszenen tanzen, spielen und singen, war grandios! ....Mit dem Komponisten selbst am Synthesizer hatte der Abend einen Drive, der mitriss.

Und King Kong? Den Affen selbst sieht man nur als braunen Fellvorhang, vor dem Ann liegt, an den sie sich kuschelt, zu dem sie singt und der sich ‚atmend' bewegt. Das ist wirklich famos gemacht und wird von Katharina Koch auch famos gespielt - ebenso wie vorher ihr Schrei beim Anblick des Biests (Finale I) jedem Vergleich mit der berühmten Fay Wray aus dem Film von 1933 standhält. Ein Klassiker, der hier klassisch wiederbelebt wird. Die Produktion in Berlin ist hoffentlich nur der Start für weitere Inszenierungen des Stücks, das ich gern einmal mit größerem Orchester, richtigen Trommeln und richtigem Ballett hören und sehen würde. Trotzdem hat diese reduzierte Fassung ihren Charme, weil sie viel Raum für die eigene Fantasie lässt - nicht nur was den haarigen röchelnden verliebten überdimensionalen männlichen Titelhelden angeht....Sehenswert ist die Produktion in jedem Fall. Und ja: Die Urwaldszenen mit grünen Lianen und Pop Art-buntem Himmel sind wundervoll. Für mich waren sie eine ideale Fortsetzung von 'Guarany', 'Blume von Hawaii' und 'Golden Dawn' und erfüllten alle meine Dschungel-Fantasien mit perfektem Augenzwinkern.

Blickpunkt Magazin
Kongenialer Triumph - Großes Musical für 3 Personen
"Sensationell" - dieser und andere Superlative stehen für die Uraufführung von "King Kong" am 28. August 2009. Schlagzeilen muss dieses neue Erfolgswerk machen, das Paul Graham Brown und James Edward Lyons für das Kleine Theater am Südwestkorso in Berlin-Friedenau schufen....


Die Amerikaner haben ihren Sondheim, den wir in Deutschland weniger kennen. Aber wir haben Paul Graham Brown mit musikalischen Ideen, die immer wieder von Neuem interessieren und begeistern. James Edward Lyons schuf dazu ein fesselndes Buch, in dem lustige wie tragische Momente sehr dicht beieinander liegen. Tiefgründig und doppeldeutig werden nicht nur Fragen aufgeworfen, sondern ausgelotet. … Hingehen ist angesagt, denn es ist faszinierend, wie drei Musicaldarsteller auf und vor der Minibühne spielen, singen und tanzen.

Der Zuschauer wird innerlich berührt und gefesselt, was nicht zuletzt auch das Verdienst des inszenierenden Autors James Edward Lyons ist. … Katharina Koch ist eine kongeniale Ann Darrow, die von einer Karriere träumt. … Marc Schlapp ist der visionäre Filmregisseur Carl Denham, der schon zu Beginn mit 'Dort herrscht Kong!' das Publikum in die aufwühlende Geschichte hinein saugt. … Das Trio komplettiert Wolfgang Höltzel als Jack Driscoll,

… Allen dreien gelingt ein konzentriert faszinierendes, kongeniales Zusammenspiel, das den Spielraum sinnbildlich über das Kleine Theater hinaus vergrößert. … Wer ist eigentlich der Affe? Dass im Kleinen Theater der geheimnisvolle König Kong persönlich vorbei schaut, ist einer der seltenen, speziellen Momente des Theaters, den niemand verpassen sollte. Größer kann Musical kaum sein. von Frank Wesner

Mit freundlicher Unterstützung von Felix Bloch Erben