Eine verführerische Frau
Chansons von Michael Zochow

 

Regie:
James Edward Lyons




Staatstheater Stuttgart 1995


mit Ortrud Beginnen

Diseusen sind Nachtmenschen

Im ewigen Gegenlicht der Scheinwerfer haben sie sich diesen charakteristischen Silberblick erworben, eine Art Tagblindheit.  ,,Die Welt ist schön, Mylord".  Der Schwindel, Berufskrankheit der Diseuse, hat mit ihrem Arbeitsplatz zu tun: Das ist nicht die Showtreppe, Parodie, sondern eher eine wackelige Himmelsleiter auf einer Varieté Bühne. Dort, auf Sprosse sieben, ist das chanson d‘amour  zu Hause. Es ist eine Welt der großen und der reduzierten Gefühle:  Lachen, Weinen, sonst nichts. Aber auch im Diseusenland sind die klassischen Zeiten lange vorbei, und ohne Selbstironie sind die ,,Je ne regrette rien“- Gesänge nicht mehr denkbar. Was bleibt, ist dieAm Ende eines wundersam kostbaren und selten schrägen Chanson-Abends im  Württembergischen Staatsschauspiels steht die Leiter nach heftigen Schwankungen wieder kerzengerade. Das kommt von einer Meisterleistung der Schauspielerin und Diseuse Ortrud Beginnen, die sich (nicht ohne Selbstironie) als ,,Eine verführerische Frau“ präsentiert. ,,Diseuse“, sagt sie, gehe auf das französische Wort für Gott zurück: dieu. Nach einer fast tausend Jahre währenden Arbeit sei es gelungen, zwischen das i und das eu ein s einzuschleusen. Di-s-euse! Dann bringt sie mit einem einzigen genialen Satz ihr ganzes Gewerbe zum Leuchten: ,,Wenn eine Diseuse sich Hoffnungen macht, dann ist das für immer.“